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Ceija Stojkas Gemälde
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Ceija Stojkas Gemälde
Klicken Sie auf eines der Bilder, um die Geschichte von Ceija Stojka anhand ihrer Gemälde und ihren Erinnerungen zu entdecken. Alternativ können Sie in diesem Bereich nach oben wischen.
Was Worte nicht sagen können
“Leider werden diese Bilder, solange ich leben werde, wieder und wieder vor meinen Augen schweben. Ich habe es niemals geschafft, diese Bilder zu vergessen.”
Diese Worte schrieb Ceija Stojka auf die Rückseite ihrer Zeichnung "Die sind schon alle hin. Bergen-Belsen, 15. April 1945 (2009)."
Stojka wurde 1933 als Angehörige der Lavara-Roma geboren, die Anfang des 19. Jahrhunderts aus Ungarn und der Slowakei nach Österreich eingewandert waren. Ihre Familie war nach dem Anschluss Österreichs 1938 zunehmenden Repressionen ausgesetzt. Stojkas Vater wurde verhaftet und im Konzentrationslager Dachau inhaftiert. Sie wurde 1943 zusammen mit ihrer Mutter und weiteren Familienangehörigen nach Auschwitz deportiert und kam von dort zunächst in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und dann nach Bergen-Belsen.
Jahrzehnte nach der Befreiung begann Stojka zu malen. In ihren Gemälden drückte sie aus, was Worte nicht sagen können. In hellen und farbenfrohen Bildern zeigt sie Szenen und Landschaften ihrer Kindheit vor 1938. Ihre visuellen Erinnerungen an das Grauen der Lager hingegen sind in dunklen Farben oder in kontrastreichem Schwarzweiß gemalt. Erst mit der Befreiung kehrte die Farbe in ihre Bilder zurück. Stojka verstarb im Januar 2013 in Wien.
Quelle: Urszula Usakowska-Wolff: Ceija Stojka. “Schaut heute bitte nicht weg”. In: Kunstdunst, 13. März 2017 (Online).
Träger der Toten
"Immer wenn ich nach Bergen-Belsen gehe, ist das wie ein Fest! Die Toten schwirren herum. Sie kommen raus, sie rühren sich, ich spüre sie, sie singen, und der Himmel ist voller Vögel. Es ist nur ihr Körper, der dort liegt. Sie sind raus aus ihrem Körper, weil sie ihnen ja mit Gewalt das Leben genommen haben. Und wir sind ihre Träger. Wir tragen sie mit unserem Leben."
Ceija Stojka: Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen. München 2009, S. 80.
Im Januar 1945 kam die elfjährige Ceija Stojka mit ihrer Mutter von Ravensbrück ins KZ Bergen-Belsen. In ihren Erinnerungen beschreibt sie, dass die Toten hinter dem in der Sonne schimmernden Stacheldraht ihr erster Eindruck vom Lager waren. Leichen, Stacheldraht, schwarze Vögel, solche Motive dominieren ihre Zeichnungen über diese Zeit.
Mindestens 1,800 Sinti und Roma kamen seit 1944 nach Bergen-Belsen, die meisten erst im März und April 1945, als dort katastrophale Zustände herrschten. Die Nazis betrachteten Sinti und Roma als „rassische“ und sozioökonomische Bedrohung. Zu den Maßnahmen gegen sie gehörten Gesetze und Erlasse, die sie im Namen “vorbeugender Verbrechensbekämpfung” verfolgten und Zwangskennzeichen mit dem Buchstaben Z auf der Kleidung. Anfang der 1940er Jahre wurden Roma in Konzentrationslager deportiert, wo sie Zwangsarbeit leisten mussten, pseudowissenschaftlichen medizinischen Experimenten unterzogen und systematisch ermordet wurden.
Zeichnung: Ceija Stojka, Bergen Belsen (Tinte auf Papier, 2003). Mit freundlicher Genehmigung: Stiftung Kai Dikhas. Photo: Diego Castellano.
15. April 1945
"The soldiers touched us to see whether we were real, whether we were alive! […] They couldn’t understand that we were living among the corpses, that among the dead were living. And how they cried and screamed! And we had to comfort them! My mother made soup and poured some down one soldier’s throat, and some tea. They sat with us on the ground because there was nothing else, only the barbed wire and the dirt, and held us and cried with us."
Ceija Stojka: Am I Dreaming I’m Alive? Liberated from Bergen-Belsen. Memoir (2003). In: The Memories of Ceija Stojka, Child Survivor of the Romani Holocaust. Translated, with an Introduction and Annotations by Lorely E. French. Boydell & Brewer, 2022, p. 158.
„We didn’t know that this was the day of our liberation. So it was”, is written under this painting. On this day, British forces liberated Bergen-Belsen.
In her paintings and drawings about the months that Ceija Stojka had to spend in Bergen-Belsen, she expressed the indescribable conditions in the camp in an almost childlike, expressive way, using images rich in contrast. The violence and horror take shape in these black and white paintings and drawings. She used ink or felt-tip pens and drew graves and piles of corpses. In some paintings, the black darkness almost completely takes possession of the pictorial space.
In contrast to this are the paintings in which Stojka depicts scenes of the liberation by British soldiers in April 1945. Upon their arrival at the camp, the British were confronted with unimaginable conditions, some of which they captured in film footage and photos. Stojka's drawings and paintings, on the other hand, show the liberation in bright and sometimes glowing colors. Birds are also present here as symbols of freedom.
Painting: Ceija Stojka, Der 15. April 1945. Noch wussten wir nicht, dass dieser Tag unser Freiheitstag war. So war es. (Mixed media on paper, 2004). Courtesy: Stiftung Kai Dikhas. Foto: Diego Castellano.
Erinnerungen zeichnen
"Es sind noch so viele weiße Blätter da – leer und weiß – und mein Wollen kennt kein Ende."
Ceija Stojka: Vorwort. In: Ausstellungskatalog KAI DIKHAS – ORT DES SEHENS 2, 2012
Ceija Stojka begann 1989, fast 45 Jahre nach ihrer Befreiung in Bergen-Belsen, zu malen. Ihre Gemälde und Zeichnungen sind heute einzigartige visuelle Zeugnisse der Verfolgung und des Völkermords an den Sinti und Roma. Für Stojka war das Malen neben dem Erzählen, Gedichten und Singen eine weitere Möglichkeit, ihre Erinnerungen mit anderen zu teilen und immer wieder neue Kraft zu schöpfen.
Zusammen mit der österreichischen Filmemacherin Karin Berger verfasste Stojka drei Bücher mit ihren Erinnerungen und realisierte zwei Filme, in denen sie über ihr Leben und die Zeit der Verfolgung spricht: Ceija Stojka – Porträt einer Romni (Österreich 1999) und Unter den Brettern hellgrünes Gras (Österreich 2005).
In diesem Film spricht sie detailliert über die Zeit in Bergen-Belsen, die grauenhaften Zustände im Lager, die Überlebensstrategien ihrer Mutter und die Befreiung.
Ausschnitt aus: Unter den Brettern hellgrünes Gras / Regie: Karin Berger / Produktion: Navigator Film
Quelle: Karin Berger: Ceija Stojka – Lebensorte. Zum Leben und Schreiben Ceija Stojkas (1933–2013). In: Andrea Härle et al [Hg.]: Romane Thana. Orte der Roma und Sinti. Wien: Czernin Verlag 2015, S. 98–117.
Lebensbaum
"Wie die Engländer die Baracken abgebrannt haben, hat auch mein Baum lichterloh gebrannt. Aber bei einem Besuch viele Jahre später habe ich ihn wieder entdeckt. Er hatte sich erholt. Das ist normal. Auch nach einem Waldbrand erholt sich die Natur. Er dürfte ungefähr dreißig Jahre lang gewesen sein und er hatte so viele Äste bekommen! Aber er war ausgetrocknet. Ich kann mir vorstellen, dass seine Wurzeln irgendwann zu den Leichen hinunter gewachsen sind, und dass ihn die Säure zerstört hat. Wie ich ihn nach fünfundzwanzig Jahren wieder gesehen habe, war er wie eine alte Greisin. Wahrscheinlich werde ich auch so aussehen, wenn ich von dieser Erde hier weggehe. Ganz grau."
Ceija Stojka: Träume ich, dass ich lebe? Befreit aus Bergen-Belsen. München 2009, S. 78-79.
Ceija Stojka beschreibt in ihren Erinnerungen detailliert, dass sie vor allem deshalb überlebte, weil sie sich in Bergen-Belsen unter anderem von Gras, Blättern oder Rinde ernährten. Als es bereits wärmer wurde, fand ihre Mutter einen kleinen Baum, dessen Harz und Blätter sie essen konnten und der ihnen Wasser spendete. Dieser Baum wurde zu Ceija Stojkas Lebensbaum und taucht als Motiv in verschiedenen ihrer Zeichnungen und Gemälde auf.
Als die Briten das Lager am 15. April 1945 erreichten, waren die Zustände katastrophal. Bis Juni starben noch etwa 14,000 Menschen an den Folgen der KZ-Haft. Ansteckende Krankheiten veranlassten die Briten das Lager zu räumen und die Baracken niederzubrennen. Ceija Stojka hat diesen Moment in ihren Erinnerungen und auch in einem Gemälde festgehalten.
Zeichnung: Ceija Stojka, Wer hat meinen Baum gefällt (Acryl auf Karton, 1996). Mit freundlicher Genehmigung: Stiftung Kai Dikhas. Foto: Diego Castellano.